Michaela Göddenhoff

Name:
Michaela Göddenhoff
Geburtsdatum:
1980
Titel:
Ausbildung:
Verlagskauffrau, Trainerin für ganzheitliche Bewegungsverfahren, derzeit in der Ausbildung zur Übungsleiterin Reha-Sport
Michaela Göddenhoff
Neues Leben in Freiheit und mit Selbstbestimmung!
Warum ich für Effizienz arbeite:

Ich selber bin von einer chronischen, psychischen Erkrankung betroffen: Ich bin Alkoholikerin. Im Sommer 2013 hatte ich meinen persönlichen Tiefpunkt und ging aus eigener Motivation in eine Therapie. Durch meine eigene Geschichte möchte ich zeigen, dass es eines jahrelangen Prozesses bedarf, bis ein suchtkranker Mensch bereit ist, in eine Therapie zu gehen, wenn er es denn überhaupt tut und sich nicht zu Tode trinkt. Eine Führungskraft kann hier eine entscheidende Rolle spielen und einen „auffälligen“ Mitarbeiter frühzeitig anzusprechen. In meinem Fall wurde ich nicht angesprochen, sicherlich nicht aus Böswilligkeit. Meine Vorgesetzten und Kollegen wussten schlichtweg nicht, wie sie sich verhalten sollen. Ich möchte zeigen, dass es sich sehr wohl lohnt, mit genauerem Auge hinzuschauen, auch wenn Mitarbeiter vermeintlich noch „funktionieren“. Natürlich bedarf es Mut, Menschen aufgrund einer psychischen Erkrankung anzusprechen. Doch: Wer Mut zeigt, macht auch Mut!

Den Mut in eine Therapie zu gehen, hätte auch ich mir schon früher gewünscht, denn ich hatte keine anderen Menschen in meinem sozialen Umfeld, die mir helfen wollten oder konnten. Mein einziger „Freund“ war über viele Jahre meine Flasche und dieser vermeintliche „Freund“ hat mir fast mein Leben genommen. Was sich jeder auch ins Bewusstsein rufen sollte, dass hinter jeder psychischen Erkrankung Lebensgeschichte, ein persönliches Schicksal steckt.


Wie alles begann:

Die ersten Samen für meine Suchterkrankung wurden, wenn ich es heute rückwirkend und reflektiert betrachte, schon in meiner Kindheit gesät. Mein Vater starb als ich 5 Jahre alt war. Danach war meine Kindheit und Jugend von Umzügen und Schulwechseln geprägt, da wir aufgrund von Berufs- und Partnerwechseln meiner Mutter häufig unser „Domizil“ wechselten. Selten fand ich Anschluss oder konnte „Wurzeln“ schlagen. Ich war ein sehr stilles und zurückhaltendes Kind. Ich war die typische Einzelgängerin, die Außenseiterin, welche gehänselt wurde. Für „Freundinnen und Freunde“, hätte ich zu dieser Zeit alles getan. Ich habe mich, sobald es jemanden in meinem Leben gab, über diesen Menschen definiert. Heute weiß ich, dass der einzige Mensch, der mich glücklich machen kann, ICH selber bin.

Als es nach der Realschule darum ging, wie es für mich weiter gehen solle, sagten die Lehrer zu mir: „Du sprichst ja sowieso nicht, also mach mal lieber eine Ausbildung, vielleicht lernst du es ja dann“. So wurde ich in eine Ausbildung zur Verlagskauffrau gedrängt, die ich schon damals innerlich gar nicht wollte. Ich war also schon zu der Zeit sehr fremdbestimmt. Nach der Ausbildung, habe ich zum ersten Mal alleine in meinem Leben entschieden und holte mein Abitur an einer Abendschule nach. Vielleicht ein Wendepunkt?

Mit Alkohol kam ich zu dieser Zeit hin und wieder auf Partys in Berührung und merkte schon hier, je mehr ich trank, desto offener wurde ich. Es gab also ein „Mittelchen“ gegen meine Schüchternheit, zumindest wurde ich immer wilder darauf jedes Wochenende auf Partys zu gehen, denn dann war ich nicht die schüchterne Michaela, sondern konnte plappern, lachen und tanzen.

2002 lernte ich kurz vor meiner Abi-Prüfung meinen Ex-Mann kennen. Leider bin ich zu diesem Zeitpunkt in das alte Muster zurück gefallen, dass durch meine Kindheit geprägt wurde. Die Beziehung zu meinem Ex-Mann entwickelte sich sprichwörtlich zur Hölle für mich. Ich war sehr schnell gefangen von seiner dominanten Art, es entwickelte sich eine Abhängigkeit ihm gegenüber. Ich ließ alles mit mir machen und brach meine wenigen sozialen Kontakte ab. Ich gab die Pläne zu studieren auf. Was ich schon ganz schnell nach Beginn unserer Beziehung wusste, war, dass er mich regelmäßig mit anderen Frauen betrog. So fing ich mit 25 an, den Alkohol zur Betäubung einzusetzen, um zu vergessen und meine innerliche Einsamkeit nicht zu spüren.

Bis 2008 wurde die Beziehung immer schlimmer für mich, so dass ich ihn Ende 2008 in einer Nacht- und Nebel-Aktion verließ und mich trennte. Vielleicht hier endlich der Wendepunkt? Leider war mein komplettes Selbstbild mittlerweile so zerstört, dass ich mich weiter in die Arbeit stürzte und es mir nach der Beziehung nicht gelang, neue soziale Kontakte zu knüpfen.


Die Abhängigkeit:

2010 in dem Jahr als ich 30 wurde, widmete ich mich immer und immer mehr meinem neuen besten Freund dem Wodka. Heute weiß ich, dass ich montags sehr oft mit Entzugserscheinungen ins Büro ging. Mein Leben bestand aus arbeiten und einsamen Trinkorgien – ich wollte mich nur noch „wegmachen“, mich betäuben. Meine Vergangenheit hatte ich noch lange nicht verarbeitet. In den nächsten drei Jahren steigerte sich mein Konsum nochmal enorm und ich griff auch häufiger in der Woche zur Flasche. Sobald ich länger frei hatte, konnte ich davon ausgehen, dass ich abstürzte und die Krankenscheine fingen an, sich zu häufen. Immer öfter passierte es mir, dass ich mich im Krankenhaus wiederfand, da ich mich dermaßen betrank und zusammen brach.

Im Mai 2013 kam ich zum ersten Mal in die Entgiftung, als ich morgens unentschuldigt nicht ins Büro kam. „Offiziell“ war ich aus anderen Gründen im Krankenhaus. Zu groß war meine Angst, meinen Job zu verlieren und in eine längere Therapie zu gehen.

Meine direkten Kollegen und Vorgesetzten, wussten schon lange, was mit mir los war. Doch, so weiß ich heute, fehlte Ihnen der Mut, mich anzusprechen bzw. meinten sie nach meiner Therapie zu mir: „Michaela, weißt du, wir haben gewusst, dass mit dir etwas nicht stimmt, aber du hast im Büro fehlerfrei gearbeitet, du hast perfekt funktioniert, ja du warst nahezu über angepasst.“

Der Warnschuss der Entgiftung war noch nicht das Ende: Ich war scheinbar noch nicht tief genug gesunken, so betrank ich mich in meinem Sommerurlaub abermals 3 Wochen komatös und landete auf einer Intensivstation. Das war mein persönlicher Tiefpunkt. Ich wollte und konnte nicht mehr trinken und entschied mich für eine Therapie.
Ich informierte den betrieblichen Sozialberater unserer Firma und somit wurde es offiziell bekannt, dass ich Alkoholikerin bin. Ich hatte große Angst, dass ich nun durch mein „Outing“ auch meinen Job verlieren würde. Doch durch den betrieblichen Sozialberater der Firma, wurde ich sehr schnell eines besserem belehrt und er nahm mir diese Ängste. So kehrte ich nach einer 16wöchigen Therapie im Januar 2014 zurück an meinen Arbeitsplatz.


Mein „neues“ Leben:

Im Job merkte ich schon sehr schnell, dass dies nur ein Stillstand oder Rückschritt für meine weitere Entwicklung sein kann, denn in meinem Privatleben änderte sich plötzlich vieles, weil ich mich veränderte. Alles was ich mir in der Freizeit wieder aufbaute, wurde mir im Berufsalltag wieder genommen. Ich wurde sehr unglücklich und immer unzufriedener. Genau in dem Job, von dem ich 2013 noch dachte, dieser wäre, neben Alkohol, alles was mir geblieben ist. Mir war klar, dass ich hier die Notbremse ziehen muss und verließ das Unternehmen 2016 auf meinen Wunsch hin.

Seitdem arbeite ich in verschiedenen Bereichen intensiv an meiner beruflichen Neuorientierung. Somit gehe ich zum ersten Mal in meinem Leben, meinen eigenen selbstbestimmten Weg. Ich habe in den schlimmsten Stunden meiner Sucht, wahrlich nicht mehr gedacht, dass sich mein Leben in solch eine Richtung entwickelt.

Mein Wunsch ist, dass psychisch erkrankte oder gefährdete Menschen die Chance für einen „Neuanfang“ ebenfalls bekommen. Ein Neuanfang ist möglich, an jedem einzelnen Tag. Diese persönliche Lebenserfahrung möchte ich teilen und genau das ist meine Motivation als Mitarbeiterin bei Effizienz mitzuwirken